Plissee reloaded: Es leben die Falten
Im Gesicht will sie keiner haben. Aber in der Mode sind Falten in diesem Sommer gern gesehen: Plisseeröcke aus hauchzartem Stoff liegen im Trend. In der Plisseebrennerei Gießmann in Westend lassen Star-Designer ihre Stoffe fertigen, aus denen Haute Couture wird.
Dieser Stoff hat es wirklich in sich. Keiner polarisiert so wie Plissee. Auf der einen Seite ist er das Sinnbild von Erotik und Weiblichkeit –denken wir nur an den Film „Das verflixte 7. Jahr“ mit Marilyn Monroe in ihrem weißen Neckholder- Plisseekleid über dem U-Bahn Schacht. Ein Luftzug – der Rest ist Filmgeschichte. Auch Queen Elizabeth trägt gerne Plisseeröcke. Die haben mit Verlaub eher eine weniger sexy Ausstrahlung. Außer, wenn Herzogin Kate sie trägt. „Die Queen bevorzugt Plisseeröcke, weil die sich züchtig um ihre Beine schlängeln, wenn Her Majesty aus dem Rolls steigt“, erklärt Sigrid Gießmann. Und die muss es wissen. Die Berlinerin ist nämlich die Königin des Plissees.
1992 übernahm die gelernte Arzthelferin das Charlottenburger Traditionsunternehmen Plisseebrennerei Gießmann von ihrem Mann. „Ich hatte ihm gerade mal vier Monate über die Schulter geschaut, wusste überhaupt nicht, wie man das macht.“ Sie wollte schon hinschmeißen, aber einer ihrer Kunden – die Plisseebrennerei produzierte damals für 15 Berliner Textilunternehmer 4.000 bis 8.000 Röcke pro Saison – machte ihr Mut: „Mensch, Mädel. Mach mal weiter“, sagte der damalige Geschäftsführer Lüpke von dem Firma Zappa. „Seinen aufmunternden Worten verdanke ich, dass es uns noch gibt“, sagt Sigrid Gießmann, die sich fortan das Handwerk selber beibrachte. Gott sei Dank. Denn nördlich von Berlin gibt es längst keine Plisseebrennerei mehr, die letzte in Hamburg hatte schon vor Jahren aufgegeben. Die nächsten gibt es erst in Bayern. Und die machen nicht so individuell gestaltete Handarbeit wie die Berlinerin.
Nachdem sie sich durchgerungen hatte, den Laden zu schmeißen, schaffte sie eine moderne Plisseemaschine und einen neuen Plisseedampfschrank an. Damals eine sehr risikofreudige Investition; heute zeigt der Erfolg, dass dies die richtige Entscheidung war. Mit der neuen Technik war es nun möglich, den modernen Anforderungen gerecht zu werden. „Mit der Plisseemaschine – eine Rabowsky made in Berlin – kann ich Kleinstfalten ab vier Millimetern fertigen, aber auch experimentelle, individuelle künstlerische Faltungen herstellen.“ Dann gibt es noch Formenplissees von einem bis zu acht Zentimeter. Der Stoff wird per Hand in die Form eingelegt und in einem Dampfschrank abgebrannt. Über 2000 Plisseeformen hat sie auf Lager, ebenfalls in Handarbeit gefertigt. „Wir arbeiten für mehr als dreihundert Opernhäuser, Theater und Landesbühnen.“
Von den Niederlanden bis nach Italien hat sich die Firma einen guten Ruf erarbeitet. In der Modebranche wissen internationale Designer die akkurate und kreative Arbeit der Sigrid Gießmann zu schätzen. Designer wie Wunderkind, Kaviar Gauche, Nanna Kuckuck oder Mashiah lassen hier ihre Plissees fertigen, aus denen dann ihre Haute-Couture-Roben entstehen. „Ich habe eine Gabe. Man muss mir nur ein Foto zeigen und ich habe gleich im Kopf, wie ich es mache“, sagt sie. Weltbekannte Schauspielhäuser entsenden ihre Kostümbildner, die im Souterrain in der Altenburger Allee ihre Skizzen auf den Tisch legen, aus denen die Meisterin des Plissees Stoffträume realisiert.
„Wir arbeiten für mehr als dreihundert Opernhäuser, Theater und Landesbühnen, wie zum Beispiel die Opernhäuser in Berlin, die Semperoper Dresden, die Staatsopern Hamburg und Stuttgart, Volkstheater verschiedener Bundesländer und natürlich auch Filmstudios“, sagt sie stolz. Ihre Plissees für die Königin der Nacht aus Mozarts Zauberflöte seien schon dreimal um die Welt getourt. „Ach, ich habe den ganzen Chor plissiert“, lacht sie. Und in dem Kinofilm „Das Mädchen Rosemarie“ trug die Schauspielerin Nina Hoss am Ende einen dramatischen Traum in Gold, Made in Berlin. Wenn es die Auftragslage zulässt, dann tüftelt Sigrid Gießmann an ihren eigenen Entwürfen. Und verarbeitet schon mal mit Hilfe guter alter Pfennige oder Murmeln fantasievolle Stoffgebilde, die sie zu ihrer eigenen Couture verarbeitet. Da kann sich selbst Issey Miyake, der japanische Meisterdesigner der Falttechnik, eine Plisseefalte von abschneiden. berlin-plissee.de