Schrothkur in Oberstaufen: State-of-the-Art Detoxen
Im einzig staatlich anerkannten Schrothkur-Heilbad Deutschlands, in Oberstaufen im Allgäu, ist ein fast 200 Jahre altes Naturheilerfahren absolutes State-of-the-Art. Detoxen, vegane Ernährung – hier bekommt jeder die volle Packung ab.
Es gibt allen Grund, an meinem Verstand zu zweifeln. Wieso tue ich mir das an? Es ist vier Uhr morgens. Vor lauter Aufregung habe ich kaum geschlafen. Gleich wird sie klopfen und mein Zimmer betreten. Mitten in der Nacht. Mir einen heißen Kräutertee servieren und mich dann in ein nasses, kaltes Laken einwickeln. Jawohl, Sie haben richtig gelesen. Nass. Kalt. Ist das nicht ein Fall für Amnesty International? Die beängstigend klingende Prozedur nennt sich Schrothkur. Jeder, dem ich vorab von meinem Wellness-Abenteuer in Oberstaufen im Allgäu – dem einzig staatlich anerkannten Schrothkur-Heilbad Deutschlands – erzählt habe, reagierte besserwisserisch: Ach, Du machst einen auf Vogel und ernährst Dich freiwillig von Körnern? Banausen, alle. Ehrlich gesagt, ich selbst habe es vorher auch nicht besser gewusst. Aber Reisen bildet ja bekanntlich. Also: Nix da mit Schrot und Korn. Der schlesische „Naturdoktor“ Johann Schroth hat dieses anerkannte Naturheilverfahren vor fast 200 Jahren entwickelt. Und es ist heute aktueller denn je. Stichwort: Detoxen. Der Kern der Kur besteht nämlich darin, dass all die Säuren und Schadstoffe, die sich im Laufe der Jahre in unserem Körper angesammelt haben, durch Haut, Niere, Darm und Lunge wieder ausgeschieden werden sollen. „Das Fass, das bis zum Rand mit Stressfaktoren wie Umweltgiften, Elektrosmog, Nikotin angefüllt ist, wird während der Kur geleert“, sagt Dr. Susanne Neuy vom Zentrum für Naturheilverfahren in Oberstaufen. Man selber zieht im Grunde genommen mal kurz den Stöpsel.
Während der Schrothkur ernährt man sich streng vegan. Aber hallo, Herr Schroth, Sie waren ja der Attila Hildmann ihrer Zeit. Okay, mal zwei Wochen vegan zu leben, wenn man wie im Haubers Alpenresort das Gemüse als Sternegericht kredenzt bekommt, das schaffe ich. Einen Tag lang mit nur wenig Flüssigkeit auszukommen (Trockentag) und den nächsten Tag dann umso mehr, das schaffe ich auch. An den Trinktagen mich viel zu bewegen, bekomme ich auch hin. Aber warum in aller Welt muss ich mich um vier Uhr früh in ein nasskaltes Laken wickeln lassen? Herr Schroth, geht‘s noch?
Allein die Vorstellung trieb meinen Blutdruck in nicht gerade gesundheitsfördernde Höhen. Dabei gilt die Packung als die wichtigste Entdeckung von Meister Schroth. Der lacht sich bestimmt heute noch ins Fäustchen, wenn er all die abertausende Kurgäste miterlebt, die sich mitten in der Nacht nahezu versandfähig zu einem Paket schnüren lassen. Das professionelle Einpacken will gelernt sein. Meine Packerin Heike Roth ist seit 1989 als Schrothkur-Packerin tätig, seit 14 Jahren im Haubers Alpenresort. Ihre Tante war Packerin, ihre Eltern ebenfalls. „Das liegt wohl in der Familien-DNA“, sagt sie. Sie legt das feuchte Laken derart gekonnt um mich, dass ich mich kaum noch bewegen kann. Meine Hände lege ich auf der Brust zusammen, die Klingel für den Notfall griffbereit. Um meinen Kopf wickelt Heike noch kunstvoll einen Handtuchturban. Drei Wärmflaschen – auf Leber, Bauch und an den Füßen – sorgen dafür, dass mir in zwei drei Minuten wohlig warm werden soll. Heike gibt mir ihr Ehrenwort, dass sie mich in anderthalb Stunden erlösen wird und lässt mich mit meinen Gedanken allein. Wie lang sind eigentlich anderthalb Stunden? Ob schon fünf Minuten rum sind? Wie lange noch? Hab ich eigentlich zuhause die Blumen gegossen? Sollte ich nicht noch meinen Lieblingssteuerberater anrufen? Geht es meiner Mutter wohl gut? Mein Herz rast. Meine Gedanken schlagen Salti. Ich kann sie kaum noch kontrollieren. Dann plötzlich: der angekündigte Schweißausbuch. Wo kommt nur all die Flüssigkeit her? Ein Schweißtropfen macht sich in aller Seelenruhe von der Stirn über meine Nase gen Lippen auf den Weg. Ich verfluche ihn. Wie lange noch?
Auf der Zugfahrt nach Oberstaufen hat mir eine leidenschaftliche Stammschrothlerin erzählt, dass sie die Packungen immer geliebt hat. Während ich darüber nachdenke, welches heimtückische Virus ihre Sinne verwirrt haben mag, höre ich draußen die ersten Vögel zwitschern. Und gestehe: Auch ich habe diese Packungen geliebt und vermisse sie mitunter. Das Schönste war für mich, wenn ich wohlig feucht-warm nach ein paar Minuten in einen sanften Schlaf gefallen bin. Die Ärzte empfehlen zwar, dass man sich wach halten soll, um den Stoffwechsel aktiv zu halten und noch mehr auszuschwitzen. Aber diesen bewussten Moment des Hinübergleitens habe ich genossen. Auch nachdem meine Packerin Heike mich erlöst hat, bin ich nochmals entspannt eingeschlafen. Meine Schroth-Ausbeute nach zwei Wochen: fünf Kilo leichter, aber nicht nur leichter an Gewicht, sondern auch leichter an seelischer Last. Wer es sich wert ist, mit sich alleine in der Packung zu liegen, hat die Chance, einiges zu verarbeiten und auszuscheiden. Nicht nur körperlich. Weitere Infos unter schrothkur.de